Elternräte wittern Wahlbetrug* der SPD Niedersachsen

Scharfe Kritik des Kreiselternrates am Rückzieher der Landesregierung bei der Beschaffung digitaler Endgeräte  –  „Wir werden das nicht hinnehmen!“

Ein nicht eingehaltenes Wahlversprechen der Niedersachsen-SPD ruft heftige Kritik zahlreicher Stadt- und Kreiselternräte im Land hervor. Vorausgegangen war die Verlautbarung der Landesregierung kurz vorm Jahreswechsel, die zugesagte digitale Lernmittelfreiheit für Schulen könne finanziell nicht umgesetzt werden. Landesweite Elternproteste formieren sich dazu jetzt in Lüneburg.

„Im Landtagswahlkampf hatte die SPD vollmundig angekündigt, dass alle Schülerinnen und Schüler ab Klasse 1 ein digitales Endgerät erhalten würden, damit sie unabhängig von finanziellen Voraussetzungen an der Bildung in der digitalen Welt teilhaben könnten. Der rot-grüne Koalitionsvertrag sieht noch eine erste schrittweise Umsetzung dieses Vorhabens ab dem 8. Jahrgang vor“, erklärt Kreiselternratsvorsitzender Marco Sievers den Sachverhalt und ist verärgert: „Die SPD hat nun ihren neuen Koalitionspartner vorgeschickt, um dieses Wahlversprechen möglichst lautlos zwischen den Feiertagen wieder einzusammeln.“ Eine Erklärung der Sozialdemokraten suche man vergebens dazu.

Dabei wäre die Anschaffung von Tablets für den Schulunterricht die zentrale Botschaft der SPD zur Bildungspolitik gewesen – auf großflächigen Plakaten, aber auch in Kandidatenflyern und Podiumsdiskussionen hatte man sich mit diesem Thema landesweit auf Stimmenfang begeben. „Auch im Lüneburger Stadtgebiet waren von der SPD gezielt in der Nähe von Schulen entsprechende Plakate aufgestellt worden. Außerdem hatten wir alle Kandidierenden dazu befragt – das kann auf unserer Webseite nachgelesen werden“, sagt Miriam Kaschel, stellvertretende Kreiselternratsvorsitzende. So hätte Lüneburgs SPD-Landtagsabgeordneter Philipp Meyn für das Thema Bildung oberste Priorität gefordert und für diese Wahlperiode ein kostenfreies Gerät für jeden Schüler und jede Schülerin angekündigt.

Diese schulpolitische Maßnahme müsse nunmehr zügig angegangen werden und dürfe keinesfalls aufgeschoben werden – das geht auch aus einem vor wenigen Tagen gemeinsam beschlossenen Appell der Stadt- und Kreisschülerräte sowie der Elterngremien auf Stadt- und Landkreisebene hervor. An vielen Schulen würden entsprechende Anschaffungskosten auf die Eltern zukommen. „Mit zwei schulpflichtigen Kindern ist man zu Beginn des zweiten Schulhalbjahres aktuell mal eben mit rund 1.200 Euro dabei. Für einkommensschwache Familien wird das zum Problem. Familien mit Schulkindern müssen jetzt, in Zeiten hoher Inflation und gestiegener Energiekosten, entlastet werden“, fordert Christian Stöckmann, ebenfalls vom Lüneburger Kreiselternrat, und ergänzt: „Je länger gewartet wird, umso mehr Insellösungen wird es geben – was ein halbwegs einheitliches Anschaffungsmanagement extrem teuer und damit quasi unmöglich macht.“

Die Begründung aus Hannover, man sehe derzeit keinen finanziellen Spielraum für die Umsetzung des Vorhabens und wolle erst die Gespräche mit dem Bund über die Ausgestaltung eines neuen Digitalpakts abwarten, lassen die Lüneburger Elternvertreter nicht gelten. „Einmal mehr wird die Verantwortung weggeschoben. Zum jetzigen Zeitpunkt auf den Digitalpakt 2.0 warten zu wollen, ist gleichbedeutend mit dem endgültigen Aus in dieser Legislaturperiode“, meint Marco Sievers. „Denn wir alle wissen, wie zäh diese Verhandlungen laufen können und was der Bundesrechnungshof alles am aktuellen Paket auszusetzen hat.“ Für ihn sei nicht nachvollziehbar, dass die SPD, die seit 2013 die Regierung in Niedersachsen stelle, im Wahlkampf bildungspolitische Zusagen mache, um diese keine drei Monate später wieder einzusammeln. „Das ist unseriös. Wir werden das nicht hinnehmen und vernetzen uns gerade mit anderen Elternräten zu landesweiten Protestaktionen“, kündigt Sievers an.

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* Definition des Wortes „Wahlbetrug“ laut DWDS (Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften):
1.) bewusste Manipulation des formalen Ablaufs einer Abstimmung oder von deren Ergebnis. 2.) Täuschung der Wähler, indem vor einer Abstimmung gemachte Versprechen nach einem Wahlerfolg nicht eingehalten werden. In diesem Artikel wird die zweite Definition verwendet.

Zum Thema: Online-Kampagne des Lüneburger Kreiselternrates in den Social-Media-Kanälen.

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